Freitag, 7. September 2007

CHEFARZTTRÄUME

Ihre Träume waren angefüllt mit Empfindungen der Leere, reine Schreckenszenarien: Leitende Ärzte, nackt, ohne Kittel, warten auf ihre Patienten, aber die Wartezimmer sind leer; sie rufen vergeblich nach Sprechstundenhilfen, Krankenschwestern, Assistenten; in der Klinik ist es totenstill; die Ärzte halten - ohne Mitarbeiter - ihre Konferenzen und Visiten ab, immer noch unbekleidet, vor leeren Betten; schließlich suchen sie in leerenTaschen, jeder für sich allein, nach einem leeren Portmonee. Ein Arzt ohne Patienten wäre so absurd wie ein Pfarrer ohne Gemeinde, jedoch ganz unvorstellbar wäre ein Arzt ohne Geld. Daher nützte an diesem Tag die beste Fortbildung über den Regelkreis der Hormone nichts. Angesichts schwindender Honorare erregte sie der Horror vacui mehr als die reizende Harmonie der Hormone..

Einmal wachte Chefarzt Gregor Amberg in der Nacht auf, als er eine weibliche Gestalt auf dem Vorsprung eines Felsens stehensah, dicht am Abgrund vor einer Schlucht. In der Tiefe brodelte roter Schlamm. Die Frau nannte sich „Orélie“ oder „Aurelia“ und suchte flüsternd nach seinem Namen: „George, Roger G und umgekehrt: „Gregor“. Sie tanzte auf Zehenspitzen um ihn herum, er riss sie zu Boden, sie stürzten und kämpften miteinander, wurden in einen Felsblock verwandelt, bildeten ein verschlungenes Marmormuster und rollten auf der anderen Bergseite einen Abhang herunter in ein steiniges Flusstal, übersprangen das Rinnsal, wurden mit großer Wucht einen kahlen Hang hinauf bis an die Schneegrenze geschleudert, kugelten zurück, um von einem Ufer zum anderen zu tanzen und auf der Talsohle auszurollen, liegen zu bleiben, zu zerspringen, zu zerbröckeln und zu verdunsten.

NACHTSCHICHT IN DER KLINIK

Aus dem 10. Kapitel meines neuen Textes "Die Visite":

Iris Vogel war eine Sehenswürdigkeit. Die besonders wegen ihrer guten Umgangsformen beliebte Krankenschwester, eine knapp 35jährige, ziemlich schlanke, rothaarige, keineswegs blasse, aber auch nicht übermäßig solargebräunte oder gar geschminkte, allenfalls etwas zu stark parfümierte, insgesamt aber durchaus natürliche Erscheinung, a real bird of paradise, war fast immer ansteckend gut gelaunt, freundlich, zuvorkommend und derart sexy, dass alle Männer, jedenfalls die meisten Patienten und Pfleger, auch einige Stationsärzte der Inneren Abteilung, regelmäßig den Atem anhielten, bis Luftnot auftrat, sobald Schwester Iris aus dem Untergeschoss auftauchte. In einer Kabine gleich neben der physikalischen Abteilung pflegte sie sich für die Abendvisite und Nachtwache umzukleiden. All ihren Schmuck, auch den silbernen Skarabäus hatte sie abgelegt. Sie ging langsam über die Treppe nach oben und grüßte die Kolleginnen und Kollegen, den Bademeister oder die Krankengymnastinnen, die sich vom Tagdienst verabschiedeten.
Krankenschwester-big
Die Rosen, Tulpen und Nelken in den bunten Vasen auf den Nachttischen, all diese frischen, während der Besuchszeit von den Angehörigen mitgebrachten und von einer Stationshilfe in farbige Porzellan- oder Plastikbehälter gesteckten, mit lauwarmem Wasser versorgten und schließlich halb verdursteten Schnittblumen, die schon am späten Nachmittag ihre Köpfe hängen gelassen hatten, erholten sich wieder zusehends, als Schwester Iris im frischen Kittel zur Nachtschicht erschien und den Patienten mit gelartig fließender Stimmmelodie einen „schö`n“ guten Abend“ wünschte.

Herr Zerber, der Nachtpförtner telefonierte gerade mit dem Dienst habenden Arzt der Inneren Abteilung. Ob der Herr Doktor Weber nicht mal in die Chirurgische Ambulanz kommen könne, da warte schon länger ein Notfall, akutes Abdomen, junger Dachdecker, Schwindel, Bauchschmerzen und Erbrechen. Könne er, sagt Dr. Weber, aber er sei doch der internistische Arzt vom Dienst (AD) und wo denn eigentlich der Kollege der Chirurgie stecke und wo die Oberärztin der Chirurgie? Nicht zu finden? Gut, dann springe er ein, ausnahmsweise mal, aber wenn der Mann operiert werden müsse, solle er doch bitte den AD und die Oberärztin wecken. Herr Zerber sagt:
„ Ich müsste drei Köpfe haben, einen für die Notfälle, den zweiten für die Angehörigen und den dritten für die Mitarbeiter, damit ich nachts beide Augen zudrücken kann!

Quelle (Bild): “www.arties.de/.../Krankenschwester-big.jpg

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