Montag, 22. Oktober 2007

PROFESSOR

Während also Scharfschneider als Arzt merklich nachließ, strengte sich sein Patient Gregor immer mehr an, gesund zu werden. Er wollte später selbst einmal, wenn er groß war, ein guter und berühmter Arzt sein, weil er glaubte, dass auch ein Kranker den Kranken helfen könnte, wenn er nur erst einmal gelernt hätte, wie, ja aber wie nur?
„Nichts gegen den Pro-fess-or! sagte er zu seiner Mutter, die ihn ständig in der Klinik besuchte und sich über Scharfschneiders chronische Misserfolge beschwerte.
„Mama, was heißt eigentlich Professor? Wenn Pro für „für“ steht, wofür steht „Profess?“
„Professor bedeutet so viel wie Bekenner, Gregorchen, das ist aber keine Glaubensfrage wie das Gelübde der Ordensleute bei der Profess.“
„Also gut, dann ist der Scharfschneider ein Profi?“
„Ja, Gregor, einer, der sich öffentlich zu seinem Beruf bekennt. Er reist herum und hält viele Reden, um zu verkünden, dass der Arzt ein Helfer der Menschheit ist.“
„Kann ich auch ein Profi werden?“
Ihm sollte diese Frage nie wieder aus dem Kopf gehen.
„Natürlich, Gregor, aber werd du erst mal gesund!“
Auch diese Antwort blieb ihm unvergesslich. Gregor hatte sich nach der letzten erfolglosen Schönheitsoperation vorerst und wahrscheinlich endgültig gegen die chirurgische Fachrichtung entschieden. Im Visitengespräch mit Professor Scharfschneider schnappte er immerhin die brauchbare Bemerkung auf, jeder gute Arzt sei von Berufs wegen ein Menschenkenner und – augenzwinkernd - auch ein Frauenkenner. Nun wollte er selbst unbedingt ein solcher Arzt werden: Entweder ein verheirateter Landarzt mit Volkswagen, der unaufhörlich ratternd lief, auch wenn sein Motor spuckte, oder ein Chefarzt mit Villa und vielen Bediensteten, schwedischen Frauen wie Greta Garbo, Ingrid Bergmann, Zarah Leander und deutschen Autos wie DKW, Wanderer und Horch, Kraftfahrzeuge mit Holzvergasern, die sich unter der grünen Tarnfarbe des Zweiten Weltkriegs keineswegs wegduckten, sondern vor aller Welt demonstrierten, dass es in den Nachkriegsjahren immer weiter, mühsam und langsam zwar, doch letztlich wieder bergauf ging. Er wollte aber nie im Leben ein Professor mit Glatze, Brille und Schnurrbart werden, wie dieser sonderbare Scharfschneider.

User Status

Du bist nicht angemeldet.

Menü

Aktuelle Beiträge

TELECOM
postmasuhr.de - 10. Jun, 12:26
OREGON
www.youtube.com/watch?v=Nt N3hsITCok Von: Barack Obama Datum:...
postmasuhr.de - 21. Mai, 09:56
Scamms
<Heute schrieb mir Harald aus Berlin, dass er von...
postmasuhr.de - 15. Mai, 17:12
STALKERIN
Hamburg - Drei Mal ließ sie sich im Taxi vor das Haus...
postmasuhr.de - 30. Apr, 15:41
Trägheit II
Lob der Faulheit Faulheit jetzo will ich dir Auch...
postmasuhr.de - 13. Apr, 14:40

www.sensous-painting.com

Suche

 

Status

Online seit 6527 Tagen
Zuletzt aktualisiert: 10. Jun, 12:26

Credits


Profil
Abmelden
Weblog abonnieren