VORWORT
Als mein Freund Gregor Amberg infolge einer tückischen und unaufhaltsam fortschreitenden Erkrankung zuletzt nicht mehr imstande war, seine fast zur Hälfte fertig gestellte Biographie zu vollenden, die nach seinem Wunsch zugleich ein Abbild des Bethanienhospitals in Neustadt, der Stelle seines langjährigen Wirkens liefern sollte, fühlte ich mich förmlich genötigt, die restliche Arbeit zu übernehmen, und ich konnte als Freund und behandelnder Neurologe meinem internistischen Kollegen diese dringende Bitte nicht abschlagen.
Ich kannte Gregor schon seit der Studienzeit, und wir hatten voreinander keine Geheimnisse. Er gab mir auch freie Hand bei der Gestaltung des vorliegenden intimen Dokuments. Viele seiner Tagebuchaufzeichnungen, aber nur ein Bruchteil der von ihm gesammelten unsäglichen Schüttelreime und Anagramme flossen in das Manuskript ein, z.B.:
"Mit Spöttergeist
man Götter speist."
Mich selbst hat übrigens der Freund namentlich nie erwähnt, ich komme in seinen Notizen nur ganz am Rande vor. Deshalb muss ich mich nun einmischen.
Aus freien Stücken glaubte ich, die Thematik seines Manuskripts
„Die Visite“ etwas weiter fassen, also auch auf die aktuelle Gesundheits-strukturreform eingehen zu sollen und hoffe daher, die vorwiegend im Untergrund der Medizin, in der deutschen Geschichte und gelegentlich auch im Überirdischen schweifenden Gedanken des Kollegen Amberg nicht übermäßig eingeengt, sondern sachlich eingeordnet zu haben. Ich fürchte nur, dass ich weder seinen Variationen des üblichen Mediziner-lateins gerecht werden, noch deren Auswüchse durchgehen lassen konnte.
Manchmal frage ich mich, warum dieser Menschenfreund in seinen Aufzeichnungen unentwegt von Säugetieren, Vögeln, Fischen und Würmern aller Art, hingegen weniger von seinen Mitmenschen schwärmte, allenfalls deren Äußerlichkeiten, wie zum Beispiel Kopfbedeckungen (Zylinder, Gambsbarthut, Kaiserkrone) und Begrüßungen (mit Händen und Lippen) analysierte.
Ich bin der Leitung des Bethanienhospitals in Neustadt, das ich bei meinen Recherchen im vergangenen Jahr häufig aufsuchte, für die Unterstützung dieses Projekts sehr zu Dank verpflichtet. Bei Dr. Kraus, Dr. Schön, der Malerin Judit Martin, der Sekretärin Maria Frosch und der Nachtpförtnerin Edeltraut Bindseil habe ich mich für die Überlassung wichtiger persönlicher Unterlagen ganz besonders zu bedanken. Auch Dr. Webers kurz gefasste Blogs waren bei der Abfassung des Manuskripts hilfreich.
Allen Leserinnen und Lesern wünsche ich einen guten Einstieg in die manchmal schwindelerregende Heilswelt des ersten Jahrzehnts unseres neuen Jahrhunderts (Gregor Amberg hätte gesagt: „in die Geisterbahn des neuen Jahrtausends“), und ich wünsche natürlich auch wieder einen ebenso gesunden Ausstieg beim Gang durch die Drehtür des Bethanienhospitals.
Ich habe Fußnoten dort eingefügt, wo ich es für angebracht hielt.
Der Verfasser
postmasuhr.de - 1. Nov, 20:23
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