CHIRURGIE DAMALS


Gregor Amberg musste nicht wie alle Welt eigens durch ein Zeichen des Himmels an diesen Scharfschneider erinnert werden. Wegen der wuchernden Operationsnarben dachte er zeitlebens, täglich und zuweilen sogar stündlich, an ihn. Im Lauf der letzten Jahre hatte er sich auf den großväterlich wirkenden Professor eingespielt. Er war ihm persönlich dankbar für jede präoperative Ermunterung und postoperative Limonade, für Lob und Tadel, weil er vaterlos aufwuchs und Mutter Martina seine kindlichen Wünsche und Fehler einfach nicht korrigieren konnte.
Der Professor wurde schon wegen seines sonderbaren Familiennamens von den Berliner Kindern „Knochenbrecher“ oder einfach „Gurke“ genannt. Kinder können gewiss ungerecht und brutal sein.
Professor Scharfschneider behandelte jeden Hauch von Kritik an seiner Klinik wie infektiöses Material, das in seiner Umgebung nicht vorzukommen hatte. Beißender Karbolgeruch bestimmte die sterile OP-Atmosphäre, während er die Aufsicht über das Personal mit bissigen Bemerkungen und der Kunst eines Messerwerfers ausübte.
postmasuhr.de - 16. Okt, 16:44
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