Dienstag, 11. September 2007

REDE EINES CHEFARZTES

dinosaurier„Meine Damen und Herren Kollegen,
wer wird seine Augen vor dem bevorstehenden Zusammenbruch unseres Gesellschaftssystems verschließen? Vergegenwärtigen sie sich, dass der Deutsche vom Aussterben bedroht ist. Denn wir altern so schnell, dass Abermillionen derer, die ständig auf ihre Zeugung warten, nicht zum Zuge kommen und folglich niemals lebendig werden können, während nur wenige Neugeborene in eine glückliche Zukunft blicken. Ich frage Sie, cui bono, wem sollen wir einmal die tradierten Güter vererben?“
Im Saal kam anerkennendes Gemurmel auf.
Das Deutsche Beefsteak hat seine Weltgeltung verloren. Der deutsche Wald stirbt und mit ihm das deutsche Wild. Im Gedächtnis der Jugend bleiben nur die toten Dichter und die Taten der untoten Helden, die wilde verwegene Jagd, das grenzenlose Grunzen der schwarzen Schweine, Hölderlins verklärende Lyrik der holden Schwäne und klirrenden Fahnen, die feinen Worte und höheren Werte, kein lyrisches Larifari sondern Heines Lied von der Loreley. Ich weiß nicht, was soll es bedeuten…“heine2

Ich nickte, ich wusste, jetzt würde der Redner sich gleich bis in die graue Vorzeit vorwagen und von dort einen Übergang in die düstere Zukunft der Menschheit finden. Ich sollte Recht behalten.
„Die besten Stimmen verstummen. Es bleibt nur das He da, he da, he do, die Willkür der neun Walküren: Hojotoho, heiaha. Wie nobel auch Wagners Huldigung der Helden in der Nibelungensage war, mit seiner Nabelschau ließ sich dieser Nebel kaum durchdringen. intro_drachen_siegfried_gEs fragt sich stets, wer ist der siegreiche Drachentöter, wer der ruchlose Rachetäter? Heute liebt die Jugend den Dinosaurier mehr als Adonis und dessen Gattin Venus, oder Diana, die Göttin der Jagd. Cui bono? Wem dient die infantile Verehrung der Urechsen und Auerochsen? Woher kommt das Faible für King Kong wie für alle fabelhaften Alphatiere und die beliebten Avatare im Zweiten unbelebten Leben? Wer hat denn diese 3-D-Scheinwelt gewollt? Na wer schon? Der, der davon den maximalen Nutzen in den weltweiten Netzen hat. Wird das modische Medienspektakel zum unkalkulierbaren monetären Debakel? Ein Steinflug in die Raumzeit oder ein Raumflug in die Steinzeit? Ein historischer Unfall oder hysterischer Anfall? Dem Lindwurm wird es zu warm im Land. Seit der Würmeiszeit hat sich die Erde immer mehr erwärmt.“
Ich nickte wieder nur kurz und nickte ein.
„Angesichts des globalen Klima- und Wertewandels dürfte jede moderne Utopie der Gesellschaft hinfällig werden. Schon wird die neue Generation - wie früher die 1848 er und 1968er - zur Umkehr und zum langen Rückmarsch aus den Institutionen gezwungen. Nun emigrieren die jungen Mediziner und Ingenieure. Der Rest ist Spiritualität und Senilität, das gilt für Wissenschaft und Wirtschaft, Kunst und Kultur, Politiker und Parteien, gewiss auch für Kirchen und Kliniken: Diese kollektive Vergreisung unserer prominenten Professoren, der Präsidenten und Päpste, Poeten und Prostituierten!“ (gekürzt aus "Die Visite")

Sonntag, 9. September 2007

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Freitag, 7. September 2007

CHEFARZTTRÄUME

Ihre Träume waren angefüllt mit Empfindungen der Leere, reine Schreckenszenarien: Leitende Ärzte, nackt, ohne Kittel, warten auf ihre Patienten, aber die Wartezimmer sind leer; sie rufen vergeblich nach Sprechstundenhilfen, Krankenschwestern, Assistenten; in der Klinik ist es totenstill; die Ärzte halten - ohne Mitarbeiter - ihre Konferenzen und Visiten ab, immer noch unbekleidet, vor leeren Betten; schließlich suchen sie in leerenTaschen, jeder für sich allein, nach einem leeren Portmonee. Ein Arzt ohne Patienten wäre so absurd wie ein Pfarrer ohne Gemeinde, jedoch ganz unvorstellbar wäre ein Arzt ohne Geld. Daher nützte an diesem Tag die beste Fortbildung über den Regelkreis der Hormone nichts. Angesichts schwindender Honorare erregte sie der Horror vacui mehr als die reizende Harmonie der Hormone..

Einmal wachte Chefarzt Gregor Amberg in der Nacht auf, als er eine weibliche Gestalt auf dem Vorsprung eines Felsens stehensah, dicht am Abgrund vor einer Schlucht. In der Tiefe brodelte roter Schlamm. Die Frau nannte sich „Orélie“ oder „Aurelia“ und suchte flüsternd nach seinem Namen: „George, Roger G und umgekehrt: „Gregor“. Sie tanzte auf Zehenspitzen um ihn herum, er riss sie zu Boden, sie stürzten und kämpften miteinander, wurden in einen Felsblock verwandelt, bildeten ein verschlungenes Marmormuster und rollten auf der anderen Bergseite einen Abhang herunter in ein steiniges Flusstal, übersprangen das Rinnsal, wurden mit großer Wucht einen kahlen Hang hinauf bis an die Schneegrenze geschleudert, kugelten zurück, um von einem Ufer zum anderen zu tanzen und auf der Talsohle auszurollen, liegen zu bleiben, zu zerspringen, zu zerbröckeln und zu verdunsten.

NACHTSCHICHT IN DER KLINIK

Aus dem 10. Kapitel meines neuen Textes "Die Visite":

Iris Vogel war eine Sehenswürdigkeit. Die besonders wegen ihrer guten Umgangsformen beliebte Krankenschwester, eine knapp 35jährige, ziemlich schlanke, rothaarige, keineswegs blasse, aber auch nicht übermäßig solargebräunte oder gar geschminkte, allenfalls etwas zu stark parfümierte, insgesamt aber durchaus natürliche Erscheinung, a real bird of paradise, war fast immer ansteckend gut gelaunt, freundlich, zuvorkommend und derart sexy, dass alle Männer, jedenfalls die meisten Patienten und Pfleger, auch einige Stationsärzte der Inneren Abteilung, regelmäßig den Atem anhielten, bis Luftnot auftrat, sobald Schwester Iris aus dem Untergeschoss auftauchte. In einer Kabine gleich neben der physikalischen Abteilung pflegte sie sich für die Abendvisite und Nachtwache umzukleiden. All ihren Schmuck, auch den silbernen Skarabäus hatte sie abgelegt. Sie ging langsam über die Treppe nach oben und grüßte die Kolleginnen und Kollegen, den Bademeister oder die Krankengymnastinnen, die sich vom Tagdienst verabschiedeten.
Krankenschwester-big
Die Rosen, Tulpen und Nelken in den bunten Vasen auf den Nachttischen, all diese frischen, während der Besuchszeit von den Angehörigen mitgebrachten und von einer Stationshilfe in farbige Porzellan- oder Plastikbehälter gesteckten, mit lauwarmem Wasser versorgten und schließlich halb verdursteten Schnittblumen, die schon am späten Nachmittag ihre Köpfe hängen gelassen hatten, erholten sich wieder zusehends, als Schwester Iris im frischen Kittel zur Nachtschicht erschien und den Patienten mit gelartig fließender Stimmmelodie einen „schö`n“ guten Abend“ wünschte.

Herr Zerber, der Nachtpförtner telefonierte gerade mit dem Dienst habenden Arzt der Inneren Abteilung. Ob der Herr Doktor Weber nicht mal in die Chirurgische Ambulanz kommen könne, da warte schon länger ein Notfall, akutes Abdomen, junger Dachdecker, Schwindel, Bauchschmerzen und Erbrechen. Könne er, sagt Dr. Weber, aber er sei doch der internistische Arzt vom Dienst (AD) und wo denn eigentlich der Kollege der Chirurgie stecke und wo die Oberärztin der Chirurgie? Nicht zu finden? Gut, dann springe er ein, ausnahmsweise mal, aber wenn der Mann operiert werden müsse, solle er doch bitte den AD und die Oberärztin wecken. Herr Zerber sagt:
„ Ich müsste drei Köpfe haben, einen für die Notfälle, den zweiten für die Angehörigen und den dritten für die Mitarbeiter, damit ich nachts beide Augen zudrücken kann!

Quelle (Bild): “www.arties.de/.../Krankenschwester-big.jpg

Donnerstag, 6. September 2007

KEINE AHNUNG KEIN PROBLEM

Die vom mir am meisten missbilligten Redewendungen der organisierten klinischen Medizin, sind zugleich deren häufigste:
„KEINE AHNUNG (KA) - KEIN PROBLEM (KP) - ALLES KLAR (AK)!“.
Dr. Alfred Kunz, ein junger Assistenzarzt der Inneren Abteilung, gab schlagfertig selbst auf komplexe Fragen einfache positive Antworten nach dem Motto:
„Äußere dich stets positiv und du schaffst es!“
Wenn sein Chef wissen wollte, ob die Oberin auf der Station angerufen und nach ihm gefragt habe, räusperte sich Kunz und sagte :
„Ja-wohl, Chef !“ Dabei schlug er sich gegen die Brust.
Diese, wie fast alle seine Antworten waren vollkommen wertlos, weil er damit jeden Dialog beendete und schlimmer noch, weil er vergaß, aktuelle Nachrichten zu übermitteln oder wichtige Texte auch nur abzuspeichern. Bald hieß es im Haus:
„ Kunz ist ein kaputter Computer.“
Fragte der Chef ihn, ob die Zeitschrift „Der Internist“ eingetroffen sei, räusperte er sich dreimal und klopfte gleichzeitig gegen den ziemlich hohlen Thorax, um klar und deutlich „Ja-woll, Che-ef“ zu sagen.
„Danke, Herr Kollege Kunz, und wo befindet sich die Zeitschrift?“
„KA“, sagte Kunz, ohne rot zu werden oder
„Gestern lag sie noch in der Bibliothek,
„as far as I remember (AFAIR).“
Was den Inhalt seiner Botschaft betraf, hatte er den Status eines durchschnittlich kompetenten Mitarbeiters erreicht. Wenn die an ihn gerichtete Frage kein „Jawohl“ zuließ, schlug er sich nicht an die Brust, wozu er Grund genug gehabt hätte. Er redete nun auch ganz normal, ohne sich zu räuspern. Dr. Amberg hatte dies mit Erleichterung registriert, er versuchte nun, möglichst negativ formulierte Antworten zu erzielen, um sich nicht länger dem „Jawoll, Chef“, - Räuspertic und den dumpfen Klopfgeräuschen des Assistenten auszusetzen.

Fragte er ihn nun aber wohlüberlegt und vorsichtig, wie es nun einmal seine Art war, dabei keineswegs besonders suggestiv:
„Ich muss doch nicht befürchten, Herr Kollege, dass Sie meine Einladung zum Abendessen abschlagen?“,
konterte Dr. Kunz:
„Das ist kein Thema.“
„Wie bitte?“
„KP, Chef.“
„Wie?
„Kein Problem“
„Hm?“
„Alles klar!“

In den letzten Jahren wurden viele gezielt angesprochenen Probleme, aber auch jedes neue Konzept, das angeblich nicht existierte, durch kein Thema ersetzt, so dass, aus welchen Gründen auch immer, nichts zur Sprache kam. So folgte zum Beispiel auf Ambergs Frage: „Könnten sie am Mittwoch ein Referat über die Endorphine halten, lieber Herr Kollege Hinz?“
die bekannte negativ formulierte Antwort:
„Das ist kein Thema (KT) Chef!“
und Dr. Amberg, der sich nicht schnell genug auf die neue Umgangssprache umstellen konnte, wand sich unter Leib- Brust- und Kopfschmerzen, die allmählich auf seine Mimik übergriffen und die leicht gerötete Haut seiner Stirn und Wangen wie Altpapier zerknüllten.
„Von einem kompetenten ärztlichen Mitarbeiter,“ sagte Amberg höflich zu Kunz, der ebenso taktvoll schwieg, „wird nicht nur gefordert, dass er über abstraktes Wissen verfügt, vielmehr muss dieses Wissen erfolgreich zur Anwendung gebracht werden.“
Aber das war bei Kunz reine Glücksache.
Buch
Das Neuro-Buch kämpft gegen diesen Nonsens an, kurze Sätze, Informationen, gegen das Geschwätz in der Medizin.

Mittwoch, 5. September 2007

MACHT

Der Raum, den die Katze überschattet, die Augenblicke der Hoffnung, die sie der Maus lässt, aber unter genauester Bewachung, ohne dass sie ihr Interesse an ihr und ihrer Zerstörung verliert, das alles zusammen, Raum, Hoffnung, Bewachung und Zerstörungsinteresse, könnte man als den eigentlichen Leib der Macht oder einfach als die Macht bezeichnen.
(Elias Canetti: Masse und Macht, Fischer Frankfurt 1994, S. 313 )

Diese Sätze von Elias Canetti bilden den Auftakt meiner Geschichte über Maxi und Mini:

Früher spielte er abwechselnd mit einer schwarzen Katze und einer weißen Maus. Die Katze hieß Maxi, die Maus Mini. Sein Vater hatte ihm Mini, die Maus, die Mutter Maxi, die Katze, geschenkt. Jonas ließ Mini im Rad laufen, bis ihr schwindlig wurde. Maxi quälte er zu Tode. Anfangs benutzte er eine Taschenlampe, später einen Kartoffelsack. Die kleine Katze sprang einer Lichtmaus solange hinterher, bis ihr Herz still stand. Dadurch trat eine Spielpause ein.
Als er Maxi in Ruhe und auf dem Teppich liegen gelassen, ja, fast schon vergessen hatte, rappelte sie sich wieder auf und fand langsam ins Leben zurück. Das Dasein würde sich jetzt nur noch auf die Jagd nach realen beweglichen, behaarten und gefiederten Objekten konzentrieren, die um ihr Leben rannten, flatterten und piepsten. Sie hatte sich entschieden, keine virtuelle Maus mehr zu verfolgen und diesen Vorsatz sofort in die Tat umzusetzen: Sie öffnete den Käfig der Minimaus, die sich immer noch im Rad gedreht hatte, nahm sie heraus und beschloss, ihr den Kopf abzubeißen. Damit wäre sie wieder auf den Geschmack gekommen, Mäuse zu töten.

Eben dies hatte die weiße Maus immer befürchtet. Pfeifen nützte nichts mehr. Ihr intensiver Geruch, der durch das Käfiggitter drang und sich im Haus verteilte, um sich überall mit der Ausdünstungen der Katze zu vermischen, würde Maxi nicht vom Äußersten abhalten.
Maxi hingegen hatte schon mit ihrem Katzengeruch alle Mäuse im Haus, außer Mini, in die Flucht geschlagen. Wenn sie in freier Natur schleichend das Gelände erkundet hätte, wären ihr vielleicht die Feldmäuse in Scharen entgegen gekommen. Welch angenehme Vorstellung! Da Maxi aber keinen Appetit auf den Verzehr noch so wohlriechender lebendiger Tiere verspürte, hätte sie die frei laufenden Mäuse zwar getötet, aber nicht verspeist und daher nur einen sinnlosen Fleischvorrat angelegt. Dennoch wäre sie fett und fetter geworden, weil Jonas grundsätzlich davon ausging, dass Maxi mit stinkendem Katzenfutter aus Konservendosen gefüttert werden müsse.
Katze
Wenn Maxi die weiße Maus laufen gelassen hätte, um sie mit den Augen zu verfolgen, wäre einerseits der Eindruck entstanden, dass sie lediglich mit ihr spielte. Es wäre aber andererseits auch deutlich geworden, dass es weniger ein Spiel als ein Experiment mit der Maus gewesen wäre, sobald sie das Opfer wieder eingefangen hätte. Nein, so brutal wäre keine Katze, sich mit ihrer Beute nur zu vergnügen. Sie hätte vielmehr spielerisch-analytisch erkunden wollen, wie sich zwei friedliche Haustiere, eine gefangene weiße Maus gegenüber einer zahmen schwarzen Katze im unabwendbaren Augenblick von Tod und Sterben verhalten würde.

Mini und Maxi kannten sich bisher nur von langen Blickkontakten. Ein kontrollierter Fluchtversuch wäre aber ohne weiteres denkbar gewesen, weil die Minimaus keine Zeit gehabt hätte, das Weite zu suchen oder sich tot zu stellen, aber alle Zeit der Welt, um zu realisieren, dass es besser gewesen wäre, dem Verfolger nicht den Rücken zuzukehren, was das Leben auf der Stelle verkürzt hätte, obwohl sie sowieso nicht mehr damit rechnen konnte, zu überleben und ihr Dasein nicht mehr der Rede wert gewesen wäre, weil ihre Sekunden gezählt waren, und sie, nachdem es ihr gelungen war, einen Vorsprung auf der Flucht zu erzielen und das Leben zu verlängern, doch niemals mehr hätte hoffen dürfen, in offener Landschaft, wie einst ihre feldgrauen Vorfahren, so gut wie frei und fast unsterblich zu sein. Die Zuversicht der Ahnen war natürlich schon angesichts der überall kreisenden Mäusebussarde immer schon trügerisch gewesen. Im Käfig war man relativ sicher, in der Natur vogelfrei.

Jonas steht am Fenster, sieht nach oben und bemerkt nicht, in welcher Gefahr die weiße Maus ist. Sein Blick wird von einem großen Vogel angezogen: der Falke steht in der Luft. Er späht nach Mäusen, die feine Urinspuren im Feld hinterlassen haben. Der Sturzflug endet dicht am Boden. Die Krallen greifen zu. Der Schnabel wird in den Nacken der Beute geschlagen.

Jonas fand, dass Maxi falsch gehandelt hatte, Mini den Kopf abzubeißen, auch wenn es kurz und schmerzlos gewesen war. Die Spielverderberin hatte nun die Todesstrafe zu erwarten. Sie war sowieso als Kuscheltier zu teuer, um durchgefüttert zu werden. Auf Dauer wäre die Katzenhaltung zu reinem Luxus und die Mäusejagd zu nutzloser Tierquälerei geworden. Außerdem mochte er diese langweiligen Haustiere nicht mehr.

Aus diesen Gründen stülpte er Maxi einen Kartoffelsack über, um das tobende Bündel in der Jauchegrube zu versenken. Minis kalte Überreste wickelte er in ein Einmaltuch und bestattete sie im Garten. Er betete kurz an Minis Grab, heulte aber nicht, sondern urinierte nur in die Jauchegrube. Als er zum zweiten Mal in die aufgeschäumte Brühe urinieren musste, verfluchte und verwünschte er das Bündel noch mit den Worten:
„Geh zum Teufel, Maxi, fahr zur Hölle!“ Als sie zum letzten Mal aus der Jauche auftauchte, hörte sie noch, wie er sie verhöhnte:
Ritze, ratze, ritze, ratze,
was macht heut die Miezekatze?
bevor Maxi, die schwarze Katze mit dem weißen Mäusekopf im Magen wie ein Stein unterging.

JÄGER

Wieder geht es um den Vorsprung des Verfolgers, diesmal auf der Menschenjagd

Ein Text, den ich kürzlich verfasste: Der Protagonist gehört zu den tag- und nachtaktiven Fleischessern. Er ernährt sich - wie schon Hermann der Cherusker und Wilhelm II. - hauptsächlich von Deutschem Beefsteak.Vegetarische Kost ist ihm zuwider. Auf der Suche nach Beute durchstreift er sein Revier.
Arminius Hemannsdenkmal
Wilhelm_II_of_Germany1 Wilhelm II.

Wenn er leicht geduckt einer Duftspur folgt, hält er öfter inne, um das ganze Aroma der Jagdatmosphäre und zugleich den weiten Panoramablick auf seinen Herrschaftsraum zu genießen. MZ00100-Hermelin
Dies ist der Vorgeschmack der Macht. Das Beutetier kann sich unbeobachtet fühlen.

Er bringt seinen Körper in Vorlage, um vorhersehbare Fluchtwege im Blick zu behalten und nicht an einen Ort jagen zu müssen, den die Beute im Moment eines Vorstoßes oder im Verlauf eines Angriffs längst verlassen haben würde. Auf diese Weise hätte er jede Fluchtbewegung und jedes Fluchtgeräusch wahrgenommen. Seine großen schwarzen Augen wandern über die schmackhafte Beute. Sollte es wider Erwarten dem Opfer gelingen, seinen Blicken zu entkommen, würde er ihm raten, seine Spur vollständig zu verwischen. Zu diesem Zweck müsste das Fluchttier sich von Zeit zu Zeit umdrehen, dürfte aber nicht allzu lange nach dem Verfolger Ausschau halten. Sonst wäre der Vorsprung rasch verspielt. Denn nun bestimmt der Verfolger, der das Fluchtziel nicht kennt, über weite Strecken die Fluchtgeschwindigkeit.
Die Beute, die mit einem hohen Tempo des Verfolgers rechnet, darf nicht voreilig handeln und mit Höchstgeschwindigkeit davonjagen. Sie hat Zeit genug, ihre Spur so gut wie möglich zu verwischen. Denn der Verfolger muss mit der Nase auf dieser dünnen Spur bleiben. Das raubt ihm wertvolle Zeit. Irgendwann wird aber die Beute erschöpft aufgeben müssen.
Wenn es an der Zeit ist, um sein Leben zu rennen und nur noch auf die Ermüdung des Angreifers zu hoffen, obwohl man selbst schon am Ende seiner Kräfte ist, ist das doch etwas ganz anderes, als Tag für Tag mit aggressiver Lust auf die Jagd zu gehen, um Trophäen zu beschaffen, ein stolzer Gewinner oder guter Verlierer zu sein, das Opfer notfalls leben zu lassen oder, worauf es doch immer hinausläuft, zur Strecke zu bringen
.

Quelle: Bilder 1-2-Wikepedia, 3 Naturschutz.com

Montag, 3. September 2007

GLÜCK

Wie lautete das Zitat von Sir Peter Ustinov? "Follow me, I am just behind you!"
Welcher Verfolger hat bei Martin Walser einen Vorsprung? Der Dichter oder der Kritiker (s.u.)
Bert Brecht verfolgt einen ähnlichen Gedanken, wenn es sich bei ihm um das Glück dreht:



Ja; renn nur nach dem Glück
doch renne nicht zu sehr!
Denn alle rennen nach dem Glück
Das Glück rennt hinterher.
Denn für dieses Leben
ist der Mensch nicht anspruchslos genug
drum ist all sein Streben
nur ein Selbstbetrug.
(Bert Brecht)


untitled

Eine junge Frau fragte mich vor einiger Zeit, ob ich schon einmal einem glücklichen Menschen begegnet sei. Wenn ich das Foto, das meine Schwester mir heute per email zuschickte, in meiner Westentasche gehabt hätte, damals, als die erwähnte junge Frau mir die philosophische Frage nach dem Glück stellte, wäre ich auf die Idee gekommen, ihr auf diesem Schnappschuß das Gesicht meiner Tochter Lili zu zeigen.
Es war ein schöner Abend in Paris, ob es ein glücklicher war,
sollten die beiden Frauen auf dem Foto entscheiden. Ich war sehr zufrieden nach meinem Besuch einer Klinik, in der ich früher einmal praktizierte, in einem grosses Krankenhaus in Paris, wo meine Tochter heute praktiziert. Dies ist ein reiner Zufall, denn ich wusste noch vor acht Wochen nichts von ihrem Praktikum und mein früheres Praktikum war längst vergessen, sie wusste also gar nichts davon, sie hatte sich, ohne mir etwas davon zu sagen, denn sie ist eine selbständige junge Frau, in derselben Klinik und auf derselben Abteilung zum Praktikum angemeldet.

Dort habe ich sie sofort gefunden, denn sie arbeitet - zufällig - auf derselben Station dieser Abteilung wie ich damals. Es gibt keine Zufälle? Nach Mainzer gibt es "kreative" Zufälle! Also scheint es nicht nur Glück im Spiel zu geben. Vielleicht muss man sich, wenn man rennt und rennt, einmal danach umblicken? Wer sich umdreht oder lacht...Euridice!
Ich glaube, dass es uns ganz langsam hinterher läuft. Denn wo soll es denn sonst sein, wenn es da vorn nicht zu sehen ist?

Sonntag, 2. September 2007

Vorsprung

Der Vorsprung des Verfolgers



Mir ging durch den Kopf, dass es wenig Sinn macht, einem Ziel hinterher zu rennen, wenn man keinen Vorsprung gewinnen kann. Wenn man aber einen Vorsprung hat, darf man nie als Erster in die Zielgerade einbiegen, als Letzter kann man nicht mehr überholt, sondern nur noch überrundet werden. Also muss man sich zwischen dem Ersten und Letzten bewegen, um schließlich siegreich über die Ziellinie zu gehen. Denn der Vorsprung des Verfolgers liegt in seiner gesammelten Energie, die er erst im Schlußspurt ausspielt. Er ist seinem Gegner voraus, wenn er nicht blind vorausläuft, sondern ihm hinterher ist. Und er kann seinen Gegner genau beobachten. Dieser spürt seinen Atem im Nacken und sieht bald nur noch seine Hacken. Damit löst sich die Paradoxie von dem Vorsprung des Verfolgers auf.

Der Dichter träumt, ihm renne ein Kritiker hinterher. Er fragt sich, was der Kritiker dabei empfinde. Er spürt, wie wichtig es für den Kritiker wäre, mit ihm zu reden. Er empfindet genauso. Aber er genießt es auch, den Kritiker aussichtslos hinterher rennen zu lassen. Plötzlich merkt der Dichter, der Verfolger ist gar nicht der Kritiker, sondern er selbst. Er ist es, der hinterher rennt.
(Martin Walser: Ein Traum in West Virginia (gekürzt). In: Literatur und Kritik. Herausgegeben von Walter Jens aus Anlass des 60. Geburtstags von Marcel Reich-Ranicki. Deutsche Verlagsanstalt Stuttgart, 1980, S. 3)

UST



Ustinov: Dazu fällt mir eine wahre Geschichte von einem Kofferträger ein, dem ich am Flughafen von Dublin begegnet bin. Er bat mich höflich: „Follow me, Sir, I’m just behind you.“
(Sir Peter Ustinov: Achtung Vorurteile. Reinbek bei Hamburg, Rowohlt 11. Aufl. 2006, S. 102)

Samstag, 1. September 2007

Schlange stehen

Ob im Internet die Realität zu finden ist, die ich im nicht vernetzten Leben vermisse? Geht man in den Buchladen oder auf die Post, so wird alles von der Wirklichkeit der Bücher bzw. Briefmarken bestimmt, wir verhalten uns am Postschalter anders als an der Buchladenkasse. Postkunden sind statistisch ungeduldiger und unbelesener als Buchkäufer, obwohl unter den Buchkunden mehr Kinder sind als in der Schlange der Postagentur. BuchhandlungEine Postagenturmitarbeiterin genießt höheres Ansehen und ist daher auch kürzer angebunden als eine Buchverkäuferin. Am Postsschalter warten wir wie in einer Arztpraxis. Der Nächste bitte und schön der Reihe nach! Aber es gibt offensichtlich keine Privatpostkunden, die den übrigen vorgezogen würden. Die Bahn verfügt über eine 1. Klasse, die Post nicht.

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